Der Trauerzug bewegte sich vom "Haus des Lebens", mit dem wertvollen Sarkophag unter einem blumengeschmückten Baldachin an der Spitze, zum Nilufer. Ihm folgten die Angehörigen mit den Klageweibern (Frauen und Kinder, die in Tränen ausbrachen und sich beständig Erde aufs Haupt streuten). Hinter dem Sarkophag kam der lange Zug mit der Grabausstattung aus Möbeln, Gewändern und Schmucksachen des Verstorbenen bis hin zu den "Modellen" seiner Barken. Am Nil angekommen, setzte sich die Prozession auf dem heiligen Strom fort. Das ideale Ziel war Abydos, das größte Osiris-Heiligtum, wo jeder Ägypter sich wenigstens ein symbolisches Grab ersehnte. Schließlich erreichte der Leichenzug das Grab. In der Kapelle oder im Atrium wurden die Riten der Reinigung der Mumie mit Wasser und Weihrauch vollzogen. Dann begann die letzte und wesentliche Handlung der "Öffnung von Augen und Mund". An der Spitze der Angehörigen und Klageweiber verlas ein Priester die Zaubersprüche des "Totenbuchs".
 
Ein Priester verliest das Ritual
Der Leichenzug bewegt sich zum Fluß.
Der Leichenzug begibt sich auf Booten Richtung Abydos
 
Die Mumie wurde nun vor der heiligen Stele des Gottes Anubis aufgerichtet. Der Kher-heb im Leopardenfell, das heißt der Erbe des Verstorbenen in Priesterkleidung, versah die Mumie mit Duftwasser und Weihrauch. Zwei Priester gossen Salböle und führten die Öffnung der Augen und des Mundes mit dem Skalpell und dem alten heiligen Handbeil aus Feuerstein durch. Diese magische Handlung (Mundöffnung) hatte unmittelbare Wirkung im astralen Bereich, da der "Ba" (die Seele) des Toten nunmehr im Jenseits sehen und sprechen konnte. Mit dieser feierlichen Handlung war die Vorbereitung des Verstorbenen für die große Reise beendet. Der Sarkophag mit allen Grabbeigaben wurde in die unterirdische Gruft versenkt. Jeder Gegenstand war versiegelt, und der Schacht bis obenhin ausgefüllt und zugemauert.
 
Reise ins Jenseits
 

"Schau an, der Tod steht vor mir wie die Erlösung von der Hölle,
wie wenn man nach langer Krankheit ins Freie tritt."

Die letzte Reise beginnt mit der Trennung des geistigen"Ka" vom Körper. Das "Ba", die Seele, wird des irdischen Lebens enthoben und schwebt um den Leichnam. Isis nimmt sie unter ihre Flügel und vertraut sie Anubis an. Nun machen sie sich auf den Weg zu den Grenzen der Welt, zu einem der vier Gebirge, welche den Himmel tragen. Nach der Überwindung des Berges fährt die Seele mit dem Boot des Khepra in die "Galerie der Nacht", wo der Fluß der "Unteren" fließt. Anubis steuert die Barke durch Strudel und Buchten, die von der Riesenschlange Apophis stammen. Jetzt gelangen sie zum Kernland der "Unteren" ins "Reich der geheimen Dinge", wo es von monströsen Wesen wimmelt, die sich auf die Reisenden stürzen. Geheul, wandernde Schatten, menschliche Hüllen ohne Köpfe und die Feinde des Osiris sind ihre Wegbegleiter. Am Ende erreichen sie die Grenzen des düsteren Reiches der "Duat". Um es zu verlassen muß man sieben Tore durchschreiten und zwischen zehn Pfeilern hindurchgehen, bevor man in den großen Saal des Osiris gelangt. In der Mitte erhebt sich eine Stufenpyramide. Auf der obersten Plattform befinden sich die vier obersten Richter und der Gott Osiris. Zu seinen Füßen befindet sich die riesige Waage für das "Wiegen des Herzens". Das ist der Höhepunkt. Nun muß die Seele ihre Taten bekennen. Osiris legt das Herz der Seele auf die eine Waagschale und die Feder der Maat als Gegengewicht auf die andere Waagschale. Dann löst er den Waagebalken. Der Gott Thot verzeichnet die Handlungen. Wenn das Herz leichter ist als die Feder, ist die Seele "gerechtfertigt" und der geistige "Ka" kehrt zurück, um sie für die Ewigkeit zu beleben. Ist das Herz schwerer kommt das Ungeheuer Amenuit, um die Seele zu verschlingen und in das Dunkel von Sokaris zu bringen. Ist die Prüfung bestanden, beginnt das Leben im Paradies, in den "Feldern von Jalu". Die Seele reinigt sich nun von allen irdischen Schlacken durch ein Bad im "Lotus-See". Die gereinigten Seelen steigen allmählich immer höher auf der Leiter aus den Lichtstrahlen, bis sie die "Barke der Wahrheit" erreichen.

 
Das Totengericht
 

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